Der Geist des Passes



Unbekannter Verfasser

Der Ursprung dieses Textes ist unklar. Die Rede ist von einem Tunnelsystem, von dem wir wissen, dass es westlich von Ardougne existiert. Allerdings weiß man hier in Misthalin nur sehr wenig über die Dinge, die sich darin verbergen.

- Reldo

er sich durch den unterirdischen Pass begibt, muss auf der Hut sein, denn dort verweilt der Geist von Zamorak. Man spürt es, wenn man sich an den Stalagmiten vorbeischlängelt - ein eisiger Hauch scheint einem bis ins Innerste der Seele vorzudringen. Nur noch wenige Reisende trauen sich heutzutage in den Pass, aber es gibt noch immer solche, die verwegen genug sind.

An einen solch verwegenen Krieger erinnere ich mich. Sein Name war Randas, er war hochgewachsen und stolz wie ein Elfenkönig. Aber dieser Stolz machte ihn auch empfänglich für Zamoraks Rufe. Randas' ehrenwertes Streben, ein großer und mächtiger Krieger zu sein, ließ ihn auf Zamoraks Ruhmesversprechungen hereinfallen. Zamorak zeigte ihm, wie er seine Ziele umsetzen konnte, und er tat es, indem er sich die gemeinsten und finstersten Eigenschaften, die uns allen zu eigen sind, zunutze machte.

Es beginnt als ein Flüstern in den Ohren. Randas tat die Geräusche als Pfeifen des Windes ab, versuchte, sie nicht zu beachten und setzte seinen Weg fort. Aber aus dem Flüstern wurde ein Klagen, sowohl furchterregend als auch verlockend, wie der Ruf einer wunderschönen Sirene. "Schließ dich uns an!" riefen die Stimmen. "Schließ dich uns an!"

"Warum versuchst du, dich gegen deine Natur zu wehren?", fragten sie Randas. "Deine Größe kommt aus deinem Inneren, aber nur Zamorak kann dir zu deinem wahren Potenzial verhelfen."

Mit der Zeit verwandelten sich die Stimmen in Visionen. Visionen von menschlichen Armeen, die von einer unsichtbaren Hand zum Tode verurteilt worden waren. Die Leichen waren aufeinander gestapelt, wie eine ungestalte Masse aus verstümmeltem Fleisch. Und ganz oben auf diesem Haufen stand Randas, mit einem blutverschmierten Schwert in der Hand und einem abwesenden Ausdruck auf seinem Gesicht. Der Zerstörer seines eigenen Volks... aber nichtsdestotrotz der Sieger.

Man sagt sich, dass Randas ein Ritual ausführte, als er den Turm Zamoraks betrat. Ein Ritual, das seinen Geist für immer verändern würde. Er kniete vor dem heiligen Altar nieder und ließ sein Blut in einen silbernen Kelch tropfen. Diesen opferte er dann Zamorak. Randas begann, die Worte der Urahnen zu singen: fremde, abartige Geräusche aus den tiefsten Abgründen der Ewigkeit.

Es war der Geist Zamoraks, der pochend in seinem Körper widerhallte, wie der Schrei eines Tieres, das in einem unheiligen Ritual geopfert worden war. Sein ganzer Leib wurde von Krämpfen geschüttelt, als Ladungen sich in seinen Muskeln entluden. Aber diese Macht war zu viel für seinen Geist. Es war, als hätten die Kräfte der Finsternis sich in eine schwarze Wolke verwandelt, die in seinem Kopf anschwoll. Während er Zeuge noch grausigerer und albtraumhafterer Visionen wurde, schien sich die Welt um ihn herum aufzulösen.

Doch die Welt war noch da - es war Randas' Geist, der gebrochen worden war. Und wenn man sich in den Tunneln verirrt, kann es gut sein, dass man Randas über den Weg läuft. Er ist nur noch ein Schatten seiner selbst: seine Augen sind eingefallen, in ihnen ist keine Spur des Lebens zu erkennen. Randas ist nun ein Teil der Anstalt geworden, nur einer von vielen wandelnden Toten. Teilnahmslos wie ein Zombie wandert er durch die Tunnel, ohne seine Umgebung wahrzunehmen. Wenn man ihn nach Zamorak fragt, erzählt er alles, woran er sich erinnert. Vielleicht erzählt er sogar von dem Ritual, das er vollzogen hat.

Neugierde kommt vor dem Fall...